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16.11.1998 00:00

Berliner Wildbiologen erforschen Hyänen in der Serengeti

Joachim Mörke Unternehmenskommunikaton des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Forschungsverbund Berlin e.V.

    Das schlechte Rufbild der Hyänen besteht zu unrecht, resümieren zwei Berliner Wildtierforscher, die in der Serengeti während einer mehr als 10jährigen Feldforschung die Lebensgeschichte mehrerer hundert Tüpfelhyänen vom jüngsten Kindesalter an aufgezeichnet haben. Dr. Marion East und Dr. Heribert Hofer (Institut für Zoo- und Wildtierforschung, IZW, Berlin) weisen nach, daß Hyänen sozial hoch organisiert sind, ihre Brutpflege ist die aufwendigste unter Raubtieren. Häufig gelangen sie in die Schlingen von Wilderern, doch kann sich die Hälfte dank eines enorm starken Gebisses aus dem Metalldraht wieder freibeißen.

    Weibliche Dominanz und Wilderei

    Forschungsprojekt über Verhaltensökologie und Naturschutz der afrikanischen "Aasfresser" am Berliner IZW / Verknüpfung von angewandter mit Grundlagenforschung

    Wichtige Fragen des Naturschutzes großer Beutegreifer bleiben unbeantwortet, weil die Faktoren, die das Überleben, Aussterben und die Regenerierfähigkeit von Populationen begünstigen, häufig unbekannt sind. Diese Faktoren können nur mit gründlicher Kenntnis der Verhaltens- und Evolutionsökologie einer Art bestimmt werden. Soziale Organisation, lebensgeschichtliche Strategien, Nahrungsverfügbarkeit, Feinde, Parasiten und Pathogene beeinflussen die Geburtenhäufigkeit, den Aufzuchterfolg und die Sterberate in einer Population.

    Auf die Erforschung dieser Zusammenhänge konzentriert sich ein langfristiges Projekt, das von Dr. Marion East und Dr. Heribert Hofer seit zwölf Jahren an Tüpfelhyänen in Freilanduntersuchungen in der Serengeti in Tanzania betrieben wird und jetzt am IZW eine neue Heimat gefunden hat.

    "Das IZW, dessen Direktor Prof. Dr. Reinhold R. Hofmann Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Serengeti Wildlife Research Instituts ist, bietet mit seiner Betonung auf interdisziplinäre Zusammenarbeit und den im internationalen Vergleich hervorragenden Forschungsgruppen z.B. auf dem Gebiet der Reproduktionsbiologie, Ernährungsanpassung und Wildtierkrankheiten eine einmalige Gelegenheit, das Projekt in neue Richtungen voranzutreiben", freut sich Dr. Hofer, der bereits auf eine langjährige Zusammenarbeit mit Labors in Deutschland, Österreich, Großbritannien und den USA zurückblicken kann.

    Tüpfelhyänen gelten als der ökologisch wichtigste Beutegreifer der afrikanischen Savannen und haben damit einen wesentlichen Einfluß auf das Funktionieren der letzten naturnahen großräumigen Ökosysteme Afrikas. Ursprünglich als "Aasfresser" gescholten, sind Tüpfelhyänen in Wirklichkeit energische und geschickte Jäger, die besonders Gnus, Zebras und Gazellen erlegen. Nicht nur die Jagdleistungen, auch das Sozialsystem ist ungewöhnlich: Tüpfelhyänen formen mit bis zu 80 - 100 Tieren die größten Gruppen, die je bei Raubtieren beobachtet wurden, die Weibchen sind absolut dominant über die Männchen, es herrscht eine große Geschwisterrivalität, und sie haben das für Raubtiere energetisch aufwendigste Brutpflegesystem.

    Durch sorgfältige Beobachtung individuell erkennbarer Tiere, die an ihrem einmaligen Tüpfelmuster identifiziert werden können, haben Dr. East und Dr. Hofer die Lebensgeschichte von mehreren hundert Hyänen vom jüngsten Kindesalter an aufgezeichnet. Die Entwicklung mehrerer nicht-invasiver Methoden für die Feldforschung ermöglicht es ihnen zudem, "Laborversuche ins Feld zu verlegen". Mit Hilfe einer speziellen Waage werden die Gewichtsverläufe von Jungtieren und Erwachsenen aufgezeichnet, ohne daß die betroffenen Tiere berührt werden. Dieses System erlaubt es auch, hunderte von Speichelproben zu gewinnen, die zur Diagnose des reproduktiven Status, der Bestimmung des Streßzustandes und der Untersuchung auf Viren-Antikörper verwendet werden können. Mit Hilfe eines von ihnen entwickelten "Biopsiepfeils" können die Forscher genetische Proben in Sekundenschnelle nehmen und ersparen damit den Tieren aufwendige Maßnahmen zur Immobilisierung und Vollnarkose.

    Gegenwärtig richten Dr. East und Dr. Hofer ihr Augenmerk vor allem auf die Erforschung der Faktoren, die die Überlebenswahrscheinlichkeit und den individuellen Fortpflanzungserfolg prägen, sowie auf den Einfluß der Wilderei auf die Lebensgemeinschaften der Serengeti. Die Forscher konnten zeigen, daß Tüpfelhyänen durch die Wilderei besonders belastet werden, weil Hyänen vorzugsweise Huftiere jagen und daher häufig in die für Huftiere aufgestellten Drahtschlingen geraten. Die Schlingen der Wilderer sind die Todesursache für zwei Drittel aller erwachsenen Tiere und treffen besonders häufig rangniedrige Tiere, vor allem die Männchen und rangniedrige Weibchen, die häufig das Gruppenterritorium verlassen und zu den großen Huftierherden pendeln müssen, auf die es die Wilderer besonders abgesehen haben. Trotz des erhöhten Risikos solcher Pendelreisen lohnt sich dies für rangniedrige Tiere, da in Zeiten geringer Beutedichten im Gruppenterritorium (75% im Jahresverlauf) ranghohe Tiere die Nahrung monopolisieren. Soziale Stellung und Überlebensrisiko sind hier also in einer interessanten Variante miteinander verknüpft. Immerhin 50% der Hyänen gelingt es, eine Begegnung mit einer Wildererschlinge zu überleben und den Haltedraht durchzubeißen. "Ohne die detaillierten Informationen zum individuellen Lebenslauf vieler Tiere wäre es nicht möglich gewesen, solche quantitativen Ergebnisse zu bekommen", erklärt Dr. Hofer. Welche Folgen der häufige Schlingentod für die soziale Organisation, das Paarungssystem und die genetische Vielfalt in der Population hat, soll durch zukünftige Arbeiten geklärt werden.

    Aus der ursprünglich hyänenzentrierten Betrachtung der Wilderei entwickelten Dr. Hofer und Kollegen vom Natural Resources Institute in Großbritannien ein Forschungsprogramm, das versucht, die Ursachen der Wilderei zu ermitteln, und dabei den Einfluß der Wilderei auf die gesamte Huftierlebensgemeinschaft der Serengeti zu erfassen.
    Dabei geht es den Forschern insbesondere um Modelle, die die räumliche Verteilung der Aktivität von Wilderern korrekt hervorsagen.
    "Für uns ist das aus zwei Gründen wichtig. Erstens möchte die Parkverwaltung ganz konkret wissen, in welche Gebiete die Rangerpatrouillen geschickt werden müssen, um mit beschränkten Mitteln einen maximalen Wirkungsgrad zu erreichen. Zweitens haben wir Optimalitätsmodelle aus der verhaltensökologischen Theorie mit beachtlichem Erfolg eingesetzt, die ursprünglich zur Lösung völlig anderer Probleme entwickelt wurden. Für mich ist die Erkenntnis wichtig, daß Grundlagenforschung und Interdisziplinarität für ein vertieftes Verständnis angewandter Probleme wichtig sind und die Verknüpfung beider hochinteressant ist", resümiert Dr. Hofer.

    Ansprechpartner: Dr. Heribert Hofer, IZW, Tel.: 030/5168709
    Institut für Zoo- und Wildtierforschung Alfred-Kowalke-Str.17, D-10315 Berlin, Tel + (49)-30-5168709, Fax + (49)-30-5126104; email: hofer@izw-berlin.de

    Fernsehfilm-Sendetermin:
    "Sympathie für die Teufel"
    ARD, Donnerstag 19.11.98 (20.15 Uhr)


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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